Momentaufnahmen / 2018

 

 

Urgroßmütter heute und vor-vorgestern

Gestern erhielt ich die Nachricht, dass ich Urgroßmutter werde! Schock und große Freude zugleich!

 

Im nächsten Moment musste ich an  m e i n e  Urgroßmutter denken, die ich noch mit 14 Jahren erleben durfte. Ein kleines, zierliches Mütterlein in schwarzen Kleidern mit schneeweißen Haaren, gleichmäßig gescheitelt, die mit vorsichtigen Schritten von ihrer Betreuerin aufs WC geführt wurde, was ich damals äußerst spannend fand!

 

Als ich dann gestern meinen Rasen-Roboter, der in einem Graben steckengeblieben war, depannieren [regionalsprachl. für „reparieren“] musste – anheben, nochmals Code drücken, in die richtige Richtung setzen, starten –, dachte ich unwillkürlich daran, wie Urgroßmütter teilweise heute ticken, um es mal salopp zu sagen. Wie froh und dankbar können wir sein, dass wir noch durchaus relativ fit sind, unseren Verstand noch einigermaßen beisammen haben, auch wenn manchmal das Gedächtnis ein bisschen schwächelt. Wir werden ganz einfach älter dank moderner Medizin, vernünftiger Ernährung und all den Angeboten, die älteren Menschen, in unseren europäischen Ländern zumindest, zur Verfügung stehen.

 

Ich habe eine Freundin, ebenfalls schon länger Urgroßmutter, die täglich eine Stunde mit ihren zwei großen Hunden unterwegs ist und aktiv und munter durchs Leben geht. Übrigens, ihre Mutter darf sich Ur-Ur-Großmutterr nennen! Ehrenwort!

 

Oktober 2018


Kind und Hund

Beim Hundespaziergang heute Morgen begegnete ich kurz hintereinander gleich zwei etwa 3-jährigen Kindern mit Papa, die beim Anblick meiner Hündin aufgeregt plappernd auf sie zeigten. Wie es so meine Gewohnheit ist, fragte ich die Kinder, ob sie mal meinen Hund streicheln möchten und zeigte ihnen, wo sie das Tier am besten berühren. Der erste Stöpsel bevorzugte zur Sicherheit lieber den Rücken statt die Stirn meines Hundes. Irgendwie finde ich es immer rührend, wenn man den geradezu andächtigen Gesichtsausdruck der Kinder beim unbeholfenen Streicheln beobachtet. Nachher hörte ich, wie der Papa das Wort Pfote korrigierte. Anscheinend benannte der Kleine die diversen Körperteile meines Hundes!

 

Bei einer zweiten Begegnung war ich erfreut über die Reaktion des Papas eines kleinen Mädchens, der lächelnd erklärte, zuerst den Hund mit hallo anzusprechen und erst dann zu streicheln. Da wurde mir plötzlich klar, wie recht der Vater hat und wurde sogar etwas unsicher, ob ich aus lauter Hundeliebe und der Erfahrung, nur immer gutartige Hunde gehabt zu haben, mit meiner Aufforderung eigentlich eine Grenze dem Kind gegenüber überschreite? Aber zur eigenen Beruhigung sagte ich mir, dass ja die Väter meinen freundlichen Vorschlag hätten ablehnen können, was sie ja beide nicht getan, sondern sich über die Begegnung gefreut hatten.

 

Und da fiel mir plötzlich eine denkwürdige Episode dieser Art vor vielen Jahren ein, wo eine Mutter bei meinem Streichel-Vorschlag geradezu panikartig reagierte und ihr Kinder laut schreiend zurückriss. Und ich bin sicher, dieses Kind wird später große Schwierigkeiten gehabt haben, Hunden einigermaßen gelassen zu begegnen! Das ist dann die Kehrseite der Medaille! Schade drum!

 

September 2018


Ein Tisch für Zwei

Ich muss mich 'outen', ich gestehe, dass ich seit einiger Zeit gelegentlich aus purer Neugier im Fernsehen diese frühabendliche Sendung anschaue.

 

Irgendwie finde ich diese Szenen recht interessant, in denen sich unbekannte Frauen und Männer bei einem Abendessen beim 'Roland' in seinem Lokal zum ersten Mal sehen und kennenlernen sollen. Und dies im Hinblick auf eine eventuelle gute Partnerschaft oder Ehe. Auf Neudeutsch auch Blind Date genannt.

 
Offensichtlich bereitet dieser Roland im Hintergrund solche Begegnungen vor, denn es ist erstaunlich, dass doch eine gewisse Menschenkenntnis dabei eine Rolle spielt. Obwohl so einiges nicht ganz zufällig passiert, bin ich positiv beeindruckt, wie die Leute mit einem gewissen Einfühlungsvermögen ausgewählt und anschließend im Lokal beobachtet werden.

Ganz besonders bringen mich gewisse Attitüden der Liebenssuchenden zum Lachen, wie der übliche kritische Blick in den Spiegel beim Eintreten in das Lokal, das Zurechtrücken der Haartolle oder Zurückwerfen der meist langen blonden Haare. Ja, überhaupt diese kindlichen Männerwünsche: Auf die Frage des Gastgebers, wie die gewünschte Dame denn sein solle, kommt fast immer zuerst, sie solle lange blonde Haare haben, schlank sein und Humor haben. Sonst nichts? Doch, gelegentlich tauchen auch etwas reifere Ansichten auf, sodass die Gespräche am Tisch ein gewisses Niveau erreichen.

Und dann, recht selten, aber immerhin, scheint es schließlich aus diesen Begegnungen gute feste Beziehungen zu geben.

 

Also unterhaltend ist diese Sendung auf jeden Fall!

 

August 2018


Meine Amsel

Ja, ich schreibe „meine“, denn sie hatte jeden Abend meinen Dachgiebel ausgewählt, um ihr abendliches Lied zu singen. Und, um es mal altmodisch auszudrücken, erfreute es mein Herz, wenn die Amsel dort oben wieder ihre Gesangsvariationen zum Besten gab. Und prompt kam aus dem Nachbarsgarten die Antwort auf diese Darbietung. Oft blieb ich dann ein paar Momente stehen, um ihr dabei zuzuschauen und ihr zu lauschen. Es ist unglaublich, was für schöne Kadenzen meine Amsel singen konnte. Ich war regelrecht stolz auf sie …Vor einigen Tagen saß dann eine zweite kleinere Amsel direkt hinter dem Gesangskünstler – oder der Gesangskünstlerin? Hörte sie ihr zu, wollte sie etwas von ihr lernen?

 

Neulich beim Gießen meiner Beete beobachtete ich den Vogel, wie er am kleinen Brunnen seinen Schnabel ins nicht mehr ganz so saubere Wasser tauchte und trank. Ich näherte mich vorsichtig bis auf etwa zwei Meter, aber die Amsel ließ sich nicht stören. Offensichtlich betrachtete sie meinen Brunnen als Vogeltränke, worüber ich mich freute.

 

Und als nun diese heißen Tage begannen, saß eines Nachmittags eine – meine? – Amsel gänzlich matt auf der kleinen Stufe vor der Fenstertüre und regte sich nicht. Besorgt beobachtete ich sie durch die Scheibe. Sie hatte die Augen geöffnet und war aber noch imstande, auf ihren Füßchen zu stehen. So ließ ich sie in Ruhe. Kurz darauf war sie weggeflogen.

 

Und nie vergesse ich das Bild vor Augen, als im Westen die Sonne unterging, und der Himmel in einem geradezu unglaublichen Rosa schimmerte. Davor die dunkle Silhouette meiner jubelnden Amsel auf meinem Dachgiebel!

 

So darf ich wohl sagen, dass es sich bei dieser Geschichte immer um „meine“ Amsel handelt!

 
Juli 2018


Begegnung „von Stock zu Stock“

Nun ja, so plötzlich kommen sie, die Zipperlein. Aber diesmal hat es mich ziemlich erwischt, starke Schmerzen in der Hüfte, sodass ich zum ersten Mal im Leben zu einem Stock greifen musste, um nicht  z u  schief durch die Gegend zu laufen.

 

So holte ich notgedrungen ein Rezept gegen die Schmerzen und hinkte dann zur Apotheke, vor mir eine ziemlich korpulente Frau, ebenfalls mit Stock. Ich wollte sie nicht überholen und passte mich ihrem Gang an.

 

Auf dem Rückweg begegnete ich ihr wieder, als sie soeben aus der Bäckerei kam. Sie blieb stehen und lächelte mich freundlich an. Ein jugendliches, sehr hübsches Gesicht, das Wärme ausstrahlte. Und unwillkürlich entwickelte sich ein Gespräch. Ich erklärte ihr, dass ich erst seit einem Tag mit dem Stock unterwegs bin. Sie: „Oh nein, ich gehe schon seit zwei Jahren mit meinem Stock“, worauf ich mein Bedauern ausdrückte. So berichtete jede von uns von ihren diversen Beschwerden. Die Dame meinte auch, sie wolle unbedingt trotz ihres Alters ihren Wagen behalten, das einzige Mittel, um sich frei bewegen zu können, was ich gerne bestätigte.

Und dann wünschte ich der netten Frau alles Gute, was sie freundlich lächelnd erwiderte.

Eine richtig nette Begegnung von Stock zu Stock, könnte man sagen.

Juni 2018


Nun singen sie wieder

Nun sind die Tage schon am frühen Morgen sichtbar heller. Und seit kurzem höre ich auch wieder zu meiner großen Freude rings um den Garten die vielfältigsten Vogelstimmen.

 

Auch wenn uns die Sonne noch nicht verwöhnt – Frühling liegt in der Luft, das ist unbestritten! Und dazu gehört der süße Gesang der Amsel dort oben im höchsten Gipfel des Ahorns, der helle Schrei des Eichelhähers, und das Gezwitscher der Spatzenkolonie in unserer Hecke. Und ganz selten vernehme ich vom kleinen Wäldchen drüben ein helles Wi-Wi-Wi, immer dreimal hintereinander. Unser Vogelkundler bei AVES muss mich demnächst aufklären, um welchen Vogel es sich handeln könnte.

 

Während den eisigen, dunklen Winterwochen habe ich 'meine' Vögel reichlich gefüttert. Und nun danken sie es mir mit ihren Stimmen, die, wie auch die allerersten Narzissenspitzen, ganz einfach zum Frühling gehören.

 

Hoffentlich noch lange in der Zukunft!

 

März 2018


Schau mir in die Augen ...

Nein, das hat nichts mit Ingrid Bergmann und dem Film Casablanca zu tun. Ich habe diesen Titel gewählt für eine Beobachtung bei meiner Hündin, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.

 

Schon seit Jahren hat meine Whippethündin den Grünen Star, der täglich mit Augentropfen behandelt werden muss. Meine Züchterin, von der ich Chloé vor über einem Jahr im Alter von fast 13 Jahren übernahm, bestätigte mir, dass der Hund daran gewöhnt wäre, täglich diese Tropfen zu bekommen. So machte ich es mir auch zur Gewohnheit, möglichst genau zur selben Zeit nach dem Füttern diese Prozedur durchzuführen.

 

Nun, der Mensch ist vergesslich, aber … der Hund nicht! Eines Tages wunderte ich mich, warum meine Hündin immer noch in der Küche herum stand. Warum schaute sie mich so intensiv an? Siehe oben!! Und da wurde mir plötzlich klar: die Tropfen. Meine Hündin mahnte mich an die tägliche Prozedur!

 

Ich muss sagen, irgendwie war ich gerührt, dass das Tier, das es sich mit täglicher Geduld gefallen lässt und stillhält, wenn ich ihr die Tropfen in jedes Auge gebe, mich, das Frauchen, an ihre morgendliche Behandlung erinnerte.

April 2018


Der zwanzigste April

Wer weiß denn alle Geburtstage einer weit verbreiteten Familie auswendig? Klar, diejenigen von Vater, Mutter, den Kindern schon. Dabei denke ich an meinen Vater, der immer vorgab – war es ihm ernst? – die Geburtstage meiner Schwester und mir zu verwechseln. Es wurde zum Spiel: „Papa, wann habe i c h Geburtstag?“ Worauf dieser jedes Mal denjenigen meiner Schwester im Juli aufsagte, oder umgekehrt. „Aber  n e i n, Papa, das ist doch nicht  m e i n Geburtstag“. Wie gesagt, es war ein Spiel, vermutlich. Noch heute weiß ich nicht genau, ob mein Vater wirklich unsere beiden Ehrentage, das heißt, einen im Juli, einen im August, verwechselte.

Aber nun komme ich zum eigentlichen Anlass meiner Geschichte, dem kommenden 20. April. Wenn ich nur schon dieses Datum in Worte fasse, weiß ich sofort: „Führers Geburtstag!“ Dieses Datum wurde uns Schülern in den 40er-Jahren derart eingebläut, dass ich es bis heute, fast 80 Jahre danach, nicht vergessen habe. Wehe, man wurde gefragt und konnte nicht wie aus der Pistole geschossen aufsagen: „20. April, Führers Geburtstag!“, dann wurde man zumindest mit heftigen Ermahnungen und Drohungen bestraft.

Dieses wichtige Datum, Hitlers Geburtstag, m u s s t e  jeder Deutsche wissen.

Und trotz all der vielen Ereignisse meines langen Lebens verfolgt mich zu meinem Leidwesen dieses denkwürdige Datum bis heute und wahrscheinlich bis zum Ende meines Lebens!

April 2018


Antiquitäten

Ich schaue mir gerne – ausnahmsweise schon am Nachmittag – die Sendung 'Bares für Rares' an.

 

Und da fiel mir auf, wie die Spezialisten für die jeweiligen mitgebrachten Schätze teils respektvoll von Antiquitäten aus den siebziger Jahren, den fünfziger Jahren, usw. sprachen. Da wurde ich ziemlich nachdenklich.

 

Denn für mich sind diese Jahre immer noch frisch in meiner Erinnerung, zumal damit verbunden die unvergesslichen Zeiten des Krieges und der Nachkriegszeit dazugehören. Und für die jüngeren und gar nicht mehr so jungen Leute bedeutet nun diese Zeit die längst verflossene Vergangenheit. Und somit sind die mitgebrachten Stücke echte Antiquitäten!
Und nun frage ich mich, ob ich eigentlich auch schon so etwas bin wie eine Antiquität? Nun, ich werde es mit Fassung tragen!

 

Februar 2018


Ein Unwort?

Ich hatte ja schon einmal meine Ansichten über das verschönernde Wort 'hochbetagt' anstelle von 'uralt' zu Papier gebracht. Aber nun erwischte es mich selbst als Hochbetagte bei einigen Aussagen, die ich zu hören bekam.

Vor Kurzem, als ich mich in einem Modegeschäft nach Kleidungsstücken umsah, meinte die nette Verkäuferin beim Anprobieren einer Wolljacke in leuchtenden Farben: „Sie können diese Farbe durchaus NOCH tragen.“ Natürlich hatte sich die junge Frau bei diesen Worten nichts Besonderes gedacht.

Oder als ein Bekannter, den ich zufällig traf, sich freundlich erkundigte: „Sind sie NOCH fit?“

Ich weiß, ich dürfte nicht so kritisch sein. Auch als ich beim Herauskommen aus einem Geschäft mit den schon mal zitierten Worten „Duun se nur langsam“ ermahnt wurde.

Und ich weiß, das ist doch alles gut gemeint. Aber da ich mich als Autorin sowieso kritisch mit Worten und Formulierungen beschäftige, habe ich Schwierigkeiten, diese für mich einschneidenden Ermahnungen mit Humor zu nehmen.

Aber, wie gesagt, auch als ‚Hochbetagte' kann ich ja noch etwas lernen, nämlich solche Bemerkungen nicht so kritisch zu sehen. Schließlich haben ja diese netten Leute durchaus recht!

 

Januar 2018


Vorurteile

Der Flieger war rappelvoll. Ich bekam einen Sitz in der hintersten Reihe links.

Schon vor dem Start fiel mir in der rechten Reihe ein junger Mann auf, der es sicher darauf angelegt hatte, aufzufallen. Er trug diese schwarzen runden Ohrscheiben, die das Ohrläppchen dehnen, in der Nase zwei Nasenringe, die üblichen etwas struppigen langen Haare, beide Arme völlig zutätowiert. Und auf den Knien hatte er je einen Stoffflicken – selbst genäht? –, die genau dasselbe Muster wie die farbigen Tätowierungen aufwiesen. Man  k o n n t e  ihn nicht übersehen!

Ich machte mir so meine Gedanken über diesen jungen Mann, über seinen Beruf, er musste ja etwas Geld verdienen, wenn er sich einen Flug leisten konnte.

Das Flugzeug landete pünktlich in Düsseldorf. Es dauerte länger, bis die ganzen Menschen schließlich alle im Gebäude waren. Und dort sollte ich nun mit meinem Handgepäck-Koffer wieder mal eine Treppe hochsteigen. Unwillkürlich schaute ich mich vergebens nach einem Lift um. Aber da hörte ich hinter mir, wie jemand sagte: „Kommen Sie, ich nehme Ihren Koffer“. Und schon packte mein Nachbar im Flieger, der Mann mit den Nasenringen, meinen Koffer und eilte mit ihm die Treppe hoch, wo er ihn abstellte. Ganz verdutzt bedankte ich mich sehr ausdrücklich. „Aber das ist doch selbstverständlich“, meinte er und eilte weiter.
Dies zum Thema siehe oben!

Januar 2018